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IAM Biographie

IAM

IAM sind in Frankreich eine Institution. Mit "Revoir Un Printemps" legt das HipHop-Kollektiv aus Marseille sein viertes Album vor, das erste seit nunmehr sechs Jahren. Allein der Titel macht die Aufbruchstimmung, die Frühlingsgefühle deutlich, die das Sextett um Akhenaton, die Galionsfigur des französischen Rap, beherrscht haben muss, als sie ihr neues Werk endlich in Angriff nahmen. Seit der Veröffentlichung ihres revolutionär guten letzten Albums "L'Ecole Du Micro D'Argent", das als erstes Rapalbum französischer Herkunft in ihrer Heimat die Millionengrenze überschritt, in der Schweiz und in Belgien mit Platin und in Kanada mit Gold ausgezeichnet wurde, mussten die Fans mit diversen Soloprojekten der IAM-Musiker vorlieb nehmen. Auch in Deutschland war das Album höchst erfolgreich, gelten doch auch hier IAM in punkto französischer HipHop als das Maß der Dinge.

Die sechs Mitglieder von IAM, neben Akhenaton sind das Shurik'n, Freeman, Imhotep, Kheops und Kphren, haben sich vorgenommen, mit ihrem neuen Album den phänomenalen Erfolg des letzten noch zu übertreffen. Wie jedes Mal haben sie alles drangesetzt, mit höchst originellen Kreationen aufzuwarten, um ihrem Anspruch gerecht zu werden, lieber die Zukunft zu erfinden als lediglich die Vergangenheit aufzuwärmen. Die ersten Skizzen entstanden bereits vor zwei Jahren, als Akhenaton noch mitten in den Aufnahmen zum "Black Album" steckte, seinem letzten Soloprojekt. "Freeman kam ins Studio geschneit und schrieb bereits an neuen Songs", erinnert sich Akhenaton. "Auch wenn die Stücke es nicht aufs Album geschafft haben, markieren sie doch den Punkt, als die Arbeit an ‚Revoir Un Printemps' erste Formen annahm. Letztes Jahr haben wir dann richtig Fahrt aufgenommen und sind seitdem nonstop damit beschäftigt."

Der erste Schritt bestand darin, sich auf die Instrumental-Parts zu einigen. Imhotep, Akhenaton, Shurik'n und DJ Kheops, die für alle Sounds verantwortlichen Tüftler der Band, kreierten annähernd 50 Demo-Tracks. Anschließend stimmten alle Bandmitglieder demokratisch ab, welche Tracks es aufs Album schaffen sollten. Und wenn IAM von Demokratie sprechen, dann meinen sie das auch, obwohl es natürlich nicht wenige leidenschaftliche Debatten gab. "Wir handeln eigentlich instinktiv", erklärt Shurik'n. "Wir hören uns einen Track an und wenn es ein Killer ist, schlagen wir zu." Und Freeman fügt hinzu: "Die Qualität ist natürlich sehr wichtig. Darum haben wir ja auch diese große Zahl an Tracks produziert, damit wir die größtmögliche Auswahl haben."

Was als erstes bei dem an klanglichen Innovationen nicht gerade armen Album auffällt, ist die gleichberechtigte Rolle von Freeman als Rapper an der Seite von Akhenaton und Shurik'n, die bis dato den Löwenanteil des Rappens übernommen hatten. "IAM ist natürlich nicht das französische Arbeitsamt", meint Akhenaton leicht amüsiert, damit ja keiner auf die Idee käme, die neue Stellung von Freeman wäre ein Nebenprodukt des in Marseille herrschenden Buddy-Systems. Tatsächlich muss man nur mal kurz in neue Songs rein hören wie "21/04" (das denkwürdige Datum, an dem ein bekannter rechtsextremer Politiker bei der französischen Präidentschaftswahl 2002 im ersten Wahlgang als Zweiter hervorging) oder "Lâches", ein bissiger Kommentar zu der Plage der ‚Bad Boys' im französischen Rap, um zu erkennen, dass dieser Meister der eher humorigen Einwürfe seit den Tagen von "Independenza" und "Un bon son brut pour les truands" seine Kunst der gepfefferten Hardcore-Reime perfektioniert hat.

Um ihrem neuen Album auch internationales Gewicht zu verleihen, haben IAM nach amerikanischer Beteiligung Ausschau gehalten. Zunächst waren Nas und Alicia Keyes, selbst Busta Rhymes im Gespräch, doch es waren schließlich Redman und Method Man (Wu-Tang Clan), die die Einladung auf den Planeten Mars ("De la Planète Mars" war der Titel von IAMs Debütalbum und eine genialische Bezeichnung für ihre Heimatstadt Marseille) gerne annahmen. Nach zwei Tagen und Nächten des verbalen Schlagabtauschs hatten IAM und die beiden HipHop-Schwergewichte von der East Coast mit "Noble Art" eine Killersingle im Kasten, bei der US-Old-School und die Nouvelle Vague des französischen HipHop kongenial aufeinanderprallen. Aber das ist noch nicht alles: Beyoncé Knowles von Destiny's Child, die mittlerweile zur neuen R&B-Queen aufgestiegen ist, fand größten Gefallen an "Bienvenue" und veredelte den Song mit ihrer aufregenden Stimme. Und ihre amerikanische Kollegin Syleena Johnson verleiht dem tragischen Song "Ici ou ailleurs", der die harte Realität von Vergewaltigungen thematisiert, einen Touch von Soul. Zweifellos ist dies eines der Highlights eines überragenden Albums, das meilenweit entfernt ist von den ausgetretenen Pfaden der französischen Rap-Musik, die noch immer von Möchtegernzuhältern bevölkert sind.

Die wunderbare Stimme der französischen Sängerin Kayna Sameth veredelt "Nous" und verleiht so jenem Track emotionale Brisanz, der sich für die junge Generation von Emigranten stark macht, die es satt haben, von französischen Patrioten geschnitten und ausgegrenzt zu werden. Mit Überlebensstrategien hatte sich Akhenaton bereits in seinem Spielfilmdebüt als Regisseur beschäftigt: "Comme un Aiment" ("The Magnet") zeichnet das düstere Porträt von acht Jugendlichen in Marseille und wurde im Jahr 2000 auf dem Filmfestival in Cannes uraufgeführt. Für den Soundtrack arbeitete Akhenaton mit dem Filmmusikspezialisten Bruno Coulais ("Microcosmos") zusammen und konnte sogar einige Soul-Stars seiner Kindheit wie Isaac Hayes, Millie Jackson, Dennis Edwards von den Temptations und Cunnie Williams gewinnen. Nun fungiert Bruno Coulais auf dem Album "Revoir Un Printemps" als quasi siebtes Mitglied von IAM, der vielen Arrangements einen symphonischen Touch verlieh und ein paar kluge, unterschwellig wirkende Akzente setzte.

Die wahre Stärke von IAM liegt natürlich nach wie vor in den Texten. Hatten bereits die ersten drei Alben - "...De la Planète Mars" (1991), "Ombre et Lumière" (1993) und "L'Ecole du Micro D'Argent" (1997) - ein ums andere Mal neue Maßstäbe gesetzt, könnte die Textmenge auf dem fast achtzigminütigen neuen Werk Studenten der Geistes-, Musik- und Politikwissenschaften für das eine oder andere Semester beschäftigen. Mit unbändiger und reicher Vorstellungskraft entwerfen IAM weit greifende Parabeln und warten mit einem ebenso erlesenen wie verspielten Zitatenschatz auf, der ein tiefes Verständnis für Popkultur offenbart. Die Lyrics von "Fruits de la rage", "21/04", "Lâches" und "Quand ils rentraient chez eux" enthalten einige der wohl stärksten Sätze, die die französische Rap-Culture in ihrer jüngeren Geschichte hervorgebracht hat. Das sind Songs, die weit über HipHop als Freizeitspaß hinausgehen.

Fast fünfzehn Jahre nach ihrem ersten selbst produzierten Tape mit dem Titel "Concept" haben IAM eigentlich so ziemlich alles erreicht, was man sich von einer formidablen Karriere in Frankreich erträumen darf. Sie haben schon Mitte der Neunziger zwei Mal in Folge das Olympia in Paris ausverkauft. Sie haben bei den Victoires de la Musique (der renommierteste Musikpreis Frankreichs) abgeräumt. Sie hatten mit "La Mia" (in Frankreich die erste Rap-Single, die die Charts toppte) und "Le Feu" zwei Riesenhits. Sie stellen, wenn nötig, auch den Kulturminister bloß. Sie sind die Helden von Marseille, die auszogen, die Welt zu erobern. Vor allem sind IAM sich und ihren Zielen immer treu geblieben. Songs wie "Mental de Vietcong" zeigen, dass sie an Impulsivität und Kampfbereitschaft keinen Deut eingebüßt haben. "Revoir Un Printemps" wird für einen heißen Herbst sorgen. IAM sind wieder da - und diesmal soll die ganze Welt in frankophile HipHop-Ekstase verfallen.
     

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