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Turtle Bay Country Club Biographie

Turtle Bay Country Club

Zwischen jährlichen Albumproduktionen fand der umtriebige Freigeist dabei immer noch Zeit, um jenseits des Bandformats mit alten Free-Jazz-Legenden oder Krautrock-Helden seltsam groovende Post-Punk-Psychedelia zu improvisieren oder sich für außereuropäische Musik zu interessieren. Bei soviel Input auf allen Kanälen war es kein Wunder, dass Arfmann irgendwann das Mischpult als Instrument für sich entdeckte und mit ihm die Mutter aller Remixe: den jamaikanischen Dub-Reggae.

Seit Anfang der 90er Jahre veredelt Arfmann deutsche HipHop-, Indie- und Reggae-Produktionen von Cora E., Fischmob, The Workshop, Kreidler, Seeed, Patrice, Yello, Jan Delay oder den Absoluten Beginnern mit dem ihm eigenen, warmen und doch aufgeräumten Sound: "Arfmann an den Reglern macht den shit tight" reimten letztere voller Bewunderung für ihren Mentor und Produzenten, der sich den kommerziellen Auswüchsen des deutschsprachigen Raps mit bewunderns-werter Voraussicht stets verwehrte. Von einem umgebauten Apfelspeicher im beschaulichen Elbvorort Neuenfelde im Süden Hamburgs aus betreibt er inzwischen sein eigenes Studio: den Turtle Bay Country Club. Doch hinter dem Club mit dem seltsamen Namen verbirgt sich nicht nur eine Soundphilosophie, sondern auch ein Produktionszusammenhang lose assoziierter Musiker.

Nach "M. Arfmann presents Turtle Bay Country Club" (1999) und "Dub Decade" (2002) legt der Turtle Bay Country Club nun mit "Universal Monstershark" sein drittes Album vor. Nach einem ersten Hören wird man schnell feststellen: Es ist ein großer Fisch, den es da in die Bucht gespült hat. Und manchmal klingt die Musik auch so: wie eine weiche, sommerliche Welle voller glitzerndem Treibgut. Nach Exkursionen in jazzigem Dowbeat und Neo-Dub, zeigt Arfmann, dass er nach wie vor auch den großen Pop-Song entspannt aus dem Ärmel schütteln kann, aber eben auch weiß, wie er ihn auf der Basis einer wahrhaft weltumspannenden Auf-fassung des Funk zum klingen bringt, die auf alle Samples verzichtet, weil sie selbst voller Ideen steckt.
Doch wie sieht die Türpolitik eines so exklusiven Clubheims aus? Altersbeschrän-kungen gibt es in diesem Country Club genauso wenig wie einen abgetrennten VIP-Bereich. Rein kommt, wer sich in die vielfältigen Sound- und Riddim-Texturen einfügt und die richtigen Vibes besitzt „it’s not about where you’re from – it’s about where you’re at“. Der in Atlanta ansässige Schlagzeuger Tony Cook spielte in den 70er und 80er Jahren bei James Brown, ließ sich Anfang der 90er Jahre sein "Trunk O Funk"-Album von Arfmann produzieren und ist ein Meister polyrhythmischer Akzente auf seiner mächtigen Snaredrum. Mit Mahmoud Gania ist ein master musician ganz anderer Art mit im Boot: In seiner marrokanischen Heimat tritt er vor hunderttausenden von Fans auf. Wer ihn auf "Universal Monstershark" auf seinem dreiseitigen Bass, dem hajhouj hört, ahnt ein wenig von der hypnotischen Kraft des Gnawa-Superstars. Der Sänger Mike Brooks startete seine Karriere in den 70er Jahren beim legendären jamaikanischen Channel One-Label und lebt heute in London. Seine Stimme erinnert manchmal an den Massive Attack-Gastvokalisten Horace Andy, den Reggae-Folker Bim Sherman oder wie auf "Universal Monster-shark" Curtis Mayfield. Absolute Beginner-MC Eißfeldt alias Jan Delay zeigt über einem funkigen WahWah-Riff einmal mehr, was für ein begnadeter Sänger in ihm steckt (und warum er sich manchmal Curtis Icefield ,bzw.Neil Jan ,nennt). Patrice muss seit seinem Arfmann-produzierten Neo-Soul/Akustik-Reggae-Debüt "Ancient Spirit" eigentlich gar nicht mehr vorgestellt werden. Obwohl er längst eigene Wege geht, kehrte er für ein eindrucksvolles Stück mit seinem charismatischen Vokalstil in den Turtle Bay Country Club zurück. An seiner Seite hier die hochgehandelte, an diversen Stellen auf dem Album präsente Sängerin Onejiru. Die Sängerinnen Onejiru und Priti gehörten beide zur ungleich politischeren, Prä-MTV-Besetzung des afro-deutschen Sisters Keepers-Projekt. Hier zeigen sie, wieviel consciousness und Soul in ihnen steckt. Und schließlich haben sich auch noch die alten Gefährten Schorsch Kamerun (Die Goldenen Zitronen) und Katrin Achinger (Kastrierte Philosophen) eingefunden. Schorsch Kameruns lyrische Assoziationsakrobatik unterlegte Arfmann mit einem punkigen Elektro-Hook, während Katrin Achingers luftiger Future-Folk auf dezenter Offbeat-Basis seinen Charme gewinnt. Für die weitere Produktion von Musik und Beats stand dem Club mit Milan Meyer alias Milan East nach dem Rückzug des Ex-Beginner Martin Wilkes ein vielversprech-ender Mitproduzent und weiterer Spielmacher zur Seite.

Dass das alles so gut zusammengeht, bleibt ein Mysterium, das Arfmann selbst mit der Suche nach dem "Urfunk" umschreibt, der sich nur in einem kollektiven Prozess einstellt. Oder wie es der alte Funkateer Tony Cook in "The Business of Music" mit Blick auf die letzten drei Dekaden formuliert: They might call it something different, but it’s always the same thing.



Input/Output

„Input/Output“ ist ein Dokumentarfilm abendfüllender Länge, der in Hamburg (Deutschland), Essaouira (Marokko) und Atlanta (USA) Personen verfolgt, Ereignisse beschreibt.
Die Plattenproduktion von Matthias Arfmann zu „Universal Monstershark“
des Turtle Bay Country Club steckt den dramaturgischen Rahmen ab, in dem
die verschiedenen Schaffens- und Lebensentwürfe der Protagonisten gegen- einander montiert und miteinander collagiert werden. Die klaren Hauptfiguren Matthias Arfmann, Tony Cook, Mahmoud Gania, Onejiru, aber auch die scheinbaren Zaungäste (Schorsch Kamerun, Mike Brooks, Katrin Achinger, Jan Eißfeldt & Patrice) und die vermeintlichen Drahtzieher im Hintergrund wie Tim Renner (CEO Unversal Music) oder Jane Loveless, Gründerin und Mitorganisatorin des Gnawa Festivals in Essaoira, bieten Reibungsflächen zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Diese Ausein- andersetzung mit den Entstehungsbedingungen und -prozessen zeitgenössischer Musik steht im Zentrum dieses Films.

Input/Output handelt immer von einer Begegnung und ihrem Resultat. Einer Begegnung von Musikern, die in all ihrer Unterschiedlichkeit gemeinsam für eine Platte einspielen. Sie unterscheiden sich in Alter und Abstammung, Ehrgeiz und Erfolg, Gedanken und Überlebenstaktik im Musikgeschäft. Ein Mastermusican aus Marokko, ein ehemaliger Independentmusiker und Produzent aus Deutschland und eine“human-drum-machine“ aus Amerika, sie spielen zusammen und finden in diesem Moment eine eigene, einzigartige Sprache, die geformt und gewandelt wird durch filtering, mixing, sampling und dubbing, um in einem Klang, einem Lied zu münden. Einem Lied , das verkaufen soll. Und verkaufen heißt Arbeit. Arbeit, die das eigene Ideal gefährdet im Land der Charts und MTV.

Der Film begleitet den Arbeitsprozess der Künstler. Von der ersten Aufnahme bis zum Mastering spürt er den Wurzeln der Protagonisten nach, ihrer Musik, ihren Hoffnungen und Vorstellungen. Nicht zuletzt beschreibt er den Künstler in seinem „ewigen Konflikt“: Erfolgreich zu sein, und doch zu scheitern.

Musik in ihrer digitalen Repräsentation unterliegt der ständigen Veränderung, einer Veränderung in Form und Haltung, immer Ausdruck des Moments. Input/Output ist sicherlich ein Dokumentarfilm, der den beteiligten Künstlern bei ihrer Arbeit zusieht. Doch im Entstehen wird der Film mehr und mehr zu einer Zustandsbe-schreibung für das „Musikmachen“ in heutigen Zeiten.
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